Dennis
So sehr ich es auch schätze, dass meine Heimatstadt als positives Beispiel dient, so sehr bin auch skeptisch und hätte da einige Fragen und Anmerkungen:

Was sind "Problemviertel"? Was definiert diese?

Was ist "soziale Durchmischung" und wann ist diese erreicht bzw. warum will man diese erreichen?

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten den Leerstand zu messen:
[l] Es existieren verschiedene Methoden und Quellen der Leerstandserfassung. In den Kommunen erfolgt eine Erfassung
häufig über die Auswertung von Stromzählerdaten. [...] Durch unterschiedliche Definitionen, Grenzwerte und Erfassungssysteme der verschiedenen Anbieter sind die Daten zwischen den verschiedenen Kommunen i. d. R. nicht vergleichbar. [...] Die Zensus-Ergebnisse erlauben sowohl eine kleinräumige Auswertung der Leerstandszahlen in den Kommunen als auch eine Auswertung anhand wohnungsbezogener Merkmale (z.B. Größe der Wohnung). Allerdings handelt es sich um
eine stichtagsbezogene, nicht fortschreibungsfähige Momentaufnahme.

Zudem gibt es keine wirkliche Verpflichtung Leerstand zu messen bzw zu melden. Es gab da mal Vorschläge:
[l] Neben einer weitergehenden Kommunalisierung der VBW fordert die Linksfraktion, dass die Stadt eine Wohnraum-Zweckentfremdungssatzung erlässt. „Mit so einer Satzung kann die Stadt dafür sorgen, dass längerfristiger Wohnungsleerstand angezeigt und genehmigt werden muss“, sagt Horst Hohmeier. „Dann kann die Stadt nicht mehr sagen, dass sie nicht wisse, wo genau es Leerstand in Bochum gibt. Wenn die Verwaltung nicht zeitnah einen Vorschlag dazu vorlegt, wie das etwa der Mieterverein fordert, werden wir auch hier mit einem eigenen Antrag reagieren.“

Und ein Kommentator hat da ähnliche Einwände [Was ist eine No Go Area? von berechtigter_Zweifel | #2]:
Da verwechseln einige den Begriff no Go Area mit Angsträumen. Eine #NoGoArea ist lt . Innenminister ein Gebiet, in das sich die Polizei nicht mehr hinein traut. Diese Gebiete gibt es nicht. Weder in #Bochum, noch in #Gelsenkirchen, #Duisburg oder #Dortmund. Gebiete, die ich (abends) nicht betreten will, sind #Angsträume. Hier von No Go Area zu sprechen, halte ich für übertrieben.

Und dann darf man gerne noch berücksichtigen, dass Bochum eine Universitätsstadt ist: #RUB #HochschuleBochum #TFHAgricola #EvangelischeHochschule #Gesundheitscampus. Dies ist neben der (inzwischen langsam abnehmenden) Industrie ein wichtiger Faktor für Gentrifizierung:
[l] Gentrifizierungsprozesse laufen nach typischen Mustern ab: Wegen niedriger Mietpreise sowie zunehmend attraktiver Lage werden einzelne Stadtteile für „Pioniere“ (Studenten, Künstler, Subkultur) attraktiv. Diese werten die Stadtteile durch kulturelle Aktivitäten auf und setzen einen Segregationsprozess in Gang. Künstler etablieren sich und bringen weitere Interessenten in die Stadtteile. Studenten steigen ins Berufsleben ein, verdienen mehr Geld als zuvor und gründen Familien, womit ihre Wohnflächenansprüche zunehmen; damit hängt die Gentrifizierung also nicht immer vom Zuzug neuer Bewohner ab.

Nebenbei sei erwähnt, dass ich bei Gentrifizierung erstmal nur eine Beschreibung eines ablaufenden Prozesses sehe:
[l] Der bereits für das Jahr 1888 nachweisbare Begriff gentrification [1]wurde 1964 von der britischen Stadtsoziologin Ruth Glass zur Kennzeichnung des Sachverhalts verwendet, dass Mittelschichtfamilien in den ursprünglich vor allem von Arbeitern bewohnten Londoner Stadtteil Islington zugezogen waren und den Stadtteil dadurch in seiner sozialen Struktur signifikant verändert hatten.

Eine Veränderung des Stadtteils gibt es immer wieder. Dass dann möglicherweise auch Erhöhung der Mieten dazu kommt, ist für mich (nach der Definition von Ruth Glass) optional: Bleiben wir mal bei dem zitierten Beispiel (Studenten) und denken uns mal die Mieterhöhungen weg z.B. in dem man einem komplett verstaatlichten/vergemeinschaftlichen "Wohnmarkt" (der dann kein Markt mehr wäre) hat. Hätte man dann noch ein Problem mit Gentrifizierung bzw. wäre dagegen?

Alles in allem find' ich sehr schön, dass solche Thematiken mal aufgegriffen werden. Schade ist nur, wenn dann die Möglichkeit versäumt wird, den Lesern das Thema #Sozialplanung, #Stadtplanung, #Stadtsoziologie und verwandte Bereiche näher zu bringen und zu erklären.
(((Arthur Schiwon)))
Dennis, danke für deinen Kommentar :)

Ich stimme zu, dass der Artikel in einigen Bereichen verbesserungswürdig ist. Zum Beispiel wie von dir angesprochene Definition eines Problemviertels.

Warum aber Durchmischung? Vorab, ich bin hier Laie und ein nicht ausgesprochen belesener. Meine Annahmen gehen dahin, dass sozial durchmischte Gebiete einen höheren gesellschaftlichen Zusammenhalt haben, einfach dadurch dass sich Menschen verschiedener Schichten begegnen und miteinander auskommen dürfen/müssen. Dies sollte positive Effekte auf Akzeptanz, Verständnis und Solidarität mit- und untereinander haben. Warum man das haben möchte? Gesellschaftlicher Friede und Stabilität.

Wohin eine Isolieren von Bevölkerungsschichten führen kann, sieht man dann und wann bei Randalen in den Außenbezirken von Paris, oder die Unruhen in London 2011. Typisch ist ja auch die Ausprägung von Rassismus in Gegenden wo es kaum Ausländer gibt. Es lässt sich einfacher über die anderen, ob Ausländer, Hartz IV Empfänger, oder Banker, wenn man keine kennt.

Du sprichst Bochum als Universitätsstadt an und bringst dies als einen wichtigen Faktor für die Gentrifizierung. Aber das Problem (ich korreliere hier) scheint es aufgrund der stadtplanerischen Maßnahmen nicht zu geben. Nun ist der Druck im Pott vermutlich auch nicht so groß, wo Menschen tendenziell wegziehen, dennoch gibt es durch die genannten Negativbeispiele Städte in der näheren Umgebung mit der Bildung von Problembezirken. Meinem Verständnis nach wird die Bildung derer gefördert durch unkontrollierte "Aufwertung" und verdrängen von armen Menschen in die billigsten Bereiche.
Eine Veränderung des Stadtteils gibt es immer wieder. Dass dann möglicherweise auch Erhöhung der Mieten dazu kommt, ist für mich (nach der Definition von Ruth Glass) optional: Bleiben wir mal bei dem zitierten Beispiel (Studenten) und denken uns mal die Mieterhöhungen weg z.B. in dem man einem komplett verstaatlichten/vergemeinschaftlichen “Wohnmarkt” (der dann kein Markt mehr wäre) hat. Hätte man dann noch ein Problem mit Gentrifizierung bzw. wäre dagegen?

Eine Veränderung an sich ist nichts schlechtes, grundsätzlich für mich begrüßenswert. Nichtsdestotrotz sollte sie immer einhergehen mit den Rahmenbedingungen, dass die Eingesessenen nicht völlig verdrängt werden bzw. keine rein wohlhabende Gegend kreiert wird. Stattdessen sollte für jede Einkommen Platz sein. Für mich ist das ein zentraler Teil einer offenen und fairen Stadt, dass sie jedem Einwohner gehört und jedem willkommen heißt.

(Vielleicht ist das auch vollkommener Humbug und Bochum ist so teuer, dass die betroffensten nach Gelsenkirchen ziehen ;) )